Ungleichbehandlung von Geflüchteten und bürokratische Schlupflöcher

Bericht von Refugees Emancipation e.V. 

Triggerwarnung: Der Text enthält Beschreibungen von Gewalt und Diskriminierungserfahrungen.

Ende Februar 2022 erhielt Eben Chu von Refugees Emancipation e.V. Berichte vom Flüchtlingsrat und von verschiedenen Personen, dass People of Color an der Grenze von Polen nach Deutschland aus den Zügen gezerrt wurden. Daher fuhren wir nach Frankfurt Oder, um uns ein genaues Bild von der gemeldeten Situation zu machen. Es waren viele Polizist*innen am Bahnhof, die in die Züge gingen. Wir fragten einen Polizisten, was seine Aufgabe sei. Er sagte: „Die Polizei kontrolliert alle Fahrgäste und holt die Personen heraus, die illegal über die Grenze wollen”. 

Die deutsche Bundesregierung hat bekannt gegeben, dass alle Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, in Deutschland willkommen sind und frei einreisen sowie Unterstützung in Anspruch nehmen können. Warum unterscheidet die Polizei dann zwischen den Menschen, die aus der Ukraine fliehen? Dieses Vorgehen der Polizei scheint rassistisch motiviert zu sein.

Wir wollten wissen, wohin die Menschen von der Polizei gebracht wurden. Man sagte uns, dass die Menschen in den Keller des Bahnhofsgebäudes gebracht wurden. Wir erfuhren, dass sie im Keller durchsucht wurden. Einigen wurde sogar aggressiv die Kleidung vom Leib gerissen. Wir durften diesen Bereich nicht betreten, um uns ein genaues Bild zu machen. Uns wurde gesagt, dass die Menschen nach der ersten Durchsuchung nach Markendorf (Außenbezirk von Frankfurt Oder) gebracht werden würden. Also fuhren wir nach Markendorf, wo es riesige Gebäude gibt (welche erbaut wurden, als man einen Zustrom von Menschen aus Belarus erwartete). Um die Gebäude herum standen viele Grenzpolizist*innen. Wir wollten wissen, was dort los war. Die Beamt*innen sagten: „Die Personalien werden aufgenommen und die Leute können dann wieder gehen“.

200 Meter weiter sahen wir ein anderes Gebäude, vor dem viele People of Color standen. Wir sprachen eine Person an, die uns sagte, dass sie seit 10 Tagen in diesem Lager sei. Die Menschen wissen nicht, warum sie an diesem Ort festgehalten werden, sie wissen nicht, was mit ihnen geschehen wird oder welche Rechte sie haben. Sie erhalten keinerlei Informationen oder Unterstützung. Sie werden unter Druck gesetzt und haben Angst, weil die Grenzpolizei ihnen sagt, dass sie illegal sind. Sie nehmen ihre Daten auf, alle ihre Körpermerkmale werden notiert: sie müssen ihre Fingerabdrücke abgeben, werden vermessen, nach persönlichen Merkmalen wie Muttermalen, Tätowierungen usw. durchsucht und müssen sich sogar ausziehen.

Viele Menschen lebten seit längerer Zeit in der Ukraine als ihrer neuen Heimat – sie arbeiteten, studierten – leisteten einen Beitrag zur Gesellschaft. Als sie Deutschland erreichten, wurden sie plötzlich wie in einem Gefängnis festgehalten, umgeben von vielen Polizist*innen, die sie wie Kriminelle behandelten. Sie hatten keine Ahnung von ihren Rechten und es war niemand erreichbar, der ihnen Unterstützung oder Informationen geben konnte. Die gesamte Verwaltung nutzte diese Situation, um die Geflüchteten in eine bestimmte Richtung zu drängen – Asyl zu beantragen.

Zusammenfassend zeigt die oben beschriebene Situation, dass die Außenkommunikation der Bundesrepublik Deutschland, in der betont wird, dass geflüchtete Menschen aus der Ukraine sich frei im Land bewegen können und Unterstützung bekommen, nicht für People of Color gilt, die aus der Ukraine fliehen. Die offiziellen Bestimmungen besagen, dass Menschen aus der Ukraine nach Deutschland einreisen dürfen, aber die Polizei erklärte, dass sie People of Color festhalten, weil sie illegal nach Deutschland eingereist sind.

Am 15. März 2022, eine Woche nach unserem ersten Besuch, kehrten wir nach Markendorf zurück und konnten 15 Personen, die aus dem Lager kamen, anbieten, nach Potsdam zu kommen. In Potsdam stellten wir humanitäre und rechtliche Unterstützung sicher.

Jede*r bekam eine Gastfamilie in Potsdam und wir organisierten einen Deutschkurs. In der Zwischenzeit fand viel politische Arbeit statt. Wir hatten ein Gespräch mit dem Leiter der Ausländerbehörde, Herrn Meier, dieser willigte ein, den Menschen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr zu geben, wenn sie an einem Bundesfreiwilligendienst teilnehmen. So konnten wir als Verein den 15 Personen einen Bundesfreiwilligendienst anbieten, um ihren Aufenthalt zu sichern. In dieser Zeit haben sie die Möglichkeit, Deutsch zu lernen und herauszufinden, wie sie ihr Leben in Potsdam fortsetzen können.

In der Zwischenzeit hat sich die Volkshochschule bereit erklärt, einen Deutschkurs für die Gruppe anzubieten und das Allerbeste – die Ausländerbehörde hat dann allen Menschen eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Viele Drittstaatsangehörige beantragten Asyl, als sie Deutschland erreichten, weil man es ihnen riet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ihr Asylantrag abgelehnt wird, weil ihr Heimatland als sicheres Herkunftsland gilt – die Diskussion darüber, welche Länder als sicher gelten und welche nicht, braucht einen eigenen Artikel.

Wenn also jemand einen Asylantrag gestellt hat, kann dieser immer noch zurückgezogen werden!

Wenn ein Grund vorgewiesen werden kann, warum man in Deutschland bleiben sollte, wie z.B. zu Studienzwecken, Bundesfreiwilligendienst oder ähnlichem, kann man sogar eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz bekommen, wenn man nachweisen kann, dass man in der Ukraine gelebt hat.

Falls Organisationen oder Einzelpersonen in die Camps gehen möchten, um die Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, zu informieren und zu unterstützen, helfen wir gern dabei.